344. Montagsgespräch
Fraktale, Zirkel
und Additive Klangsynthese
für Klänge aus dem Rauschen
Dieter Trüstedt
Montag, 22. Mai 2017 um 19 Uhr in Halle 6 / Kreativquartier München
Dachauerstr. 112d (Leonrodplatz) barrierefrei / Tram 12, Bus 53 und N43
Freiwilliger Beitrag 10 €
Hüllkurven für einen Klang / Pure Data / Aufnahme: Dieter Trüstedt
Hermann von Helmholtz hat vor mehr als 150 Jahren gezeigt, dass jeder Klang aus Teiltönen zusammengesetzt ist. Diese Teiltöne können reine Sinustöne oder - wie in diesem Montagsgespräch vorgestellt - dem Rauschen entnommen sein. Resonanzfilter bestimmen die Qualität dieser Sinustöne.
Jeder Klang dieser - unserer - Welt geht von einem Körper aus, der irgendwie in Schwingung versetzt wird. Durch Material und Form dieses Körpers entsteht die Komplexität seines Klanges - und durch die Art, wie er in Schwingung versetzt wird.
Wenn wir einen Computer - z.B. einen Laptop - als Musikinstrument verwenden, müssen wir Klänge ausschließlich durch Rechenoperationen erzeugen, wenn wir von der sogenannten Sample-Technik (Arbeit mit kleinen Klangschnipseln aus der Körperwelt) absehen. Auch das weiße Rauschen, das ich in meiner Musik als Ausgangsmaterial verwende, ist aus Rechenoperationen entstanden.
Dennoch ist die berechnete (digitale) Klangwelt unendlich groß.
Um sich in dieser Klangwelt zurechtzufinden, kann ich einerseits auf Anmutungen aus der Körperklangwelt zurückgreifen
oder auf den Klangraum (Musikraum) der bekannten (konventionellen) Musik:
die Vertikale der Harmonik (Instrumenten-Anordnung nach Stimmungen, Klangfarben ...)
die Horizontale der Rhythmik (Takt, Zeitstrukturen, Zeitfolgen, Dauern, Pausen ...)
die Diagonale der Melodik (gebildet aus einer Verschränkung von Zeit- und Tonhöhen-Strukturen).
Ein Genre oder eine Aufgabe der Musik ist hierbei nicht diskutiert.
In der Additiven Klangsynthese (ADSR = Attack, Decay, Sustain und Release eines durch Anschlagen erzeugten Klanges plus Phase und Final-Release) bin ich zunächst mit einem (künstlerischen) Material konfrontiert, das keinerlei Anmutung aus der (realen) Welt anbietet.
Dennoch sind die Möglichkeiten der Verzauberung unendlich - in der Ausbreitung in der Zeit oder in der Tiefe und Farben-Vielfalt der Klänge. Die Realisierungen finden in der jeweiligen Wahrnehmung statt.
Die Komplexität des Schlichten!
Im 344. Montagsgespräch wird ein Klang und eine Klangbewegung live gespielt - erzeugt aus weißem Rauschen, fein gefiltert mit Resonanzfiltern, zusammengefügt aus 8 Teiltönen in den Tonhöhen meines Chin-Instrumentes 4, 5, 6, 7 und 8 (z.B. als 400, 500, 600, 700 und 800 Hz ). Dieses stark gedehnte Klanggebilde wird in den Zeiten der gleichen Zahlen (z.B. als 1/4, 1/ 5, 1/6, 1/7 und 1/8 mal ca. 16 Sekunden) und in der Tonfolge der natürlichen (reinen) Stimmung nach Helmholtz gespielt. Es entsteht eine zeitlich sehr komplexe, aber ungewöhnlich ruhige und unendliche Musik, irgendwie zwischen Morton Feldman und der Ulmer Windharfe liegend.
Die genannten Phänomene Fraktale und Zirkel beziehen sich auf weitere Klang-Beispiele in diesem Montagsgespräch.