210. Montagsgespräch im Musiklabor München
Frieder Schuller
Abschiedsgerüchte
Lesung und Gespräch
mit verrenktem kopf
schlendere ich durch
die heimatstadt
ein tagedieb übernächtigt
das fenster zur geliebten
bietet vergessen an
ein alter bekannter begrüßt
mich schachmatt
hinter dem rücken der nachmittagssonne
erkaltet das alpaka der gefühle
wie angekettete hunde zerren
namen und tage im gedächtnis
klopfzeichen toben im fernen lied
die botschaft geht unter im kauderwelsch
während die gasse verebbt
glasmalereien verbluten doch die erinnerung
hält sich an einem strohhalm fest
bis die straßenbahn in die bildergalerie stößt
und meinen schattenriß überfährt
Frieder Schuller - geboren in Siebenbürgen. Studium der Theologie und Germanistik. Zeitungsredakteur und dann Theaterdramaturg in Hermannstadt. Gedichte in deutscher Sprache. 1986 Andreas Gryphius-Preis, dann Dokumentar- und Spielfilme. Förderprämie des Bundesinnenministeriums. Nach 1989 Inszenierung des mehrsprachigen Kulturtreffens von Katzendorf in Siebenbürgen
Sicher wird Ihnen bewußt sein, daß Sie als Schriftsteller ein großes Thema im Gepäck mit sich führen, dem Sie sich stellen sollten; weiß ich doch aus eigener Erfahrung, daß der Verlust von Heimat erst dann total wird, wenn man den geographischen Verlust auf die gesamte Substanz ausdehnt. Ihren Gedichten lese ich ab, daß Sie dieser Gefahr nicht erliegen werden. Freilich glaube ich, in dem Ihnen aufgebürdeten Thema eher epische Ausmaße zu erkennen: Siebenbürgen ist ja mehr als ein gegenwärtiger Zustand, vielmehr ist es in seiner vielschichtigen Vergangenheit ein Exempel mehr für die nivellierende Tendenz großräumiger Machtpolitik.
Günter Grass (Brief 1978)
Montag, 13. Februar 2006 - 20:00 Uhr
Eintritt frei
Carl Orff Auditorium
München, Luisenstr. 37a
U-Bahn U2 Königsplatz
Musiklabor
Veranstalter:
Echtzeithalle e.V.
in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik und
Theater München
Tel. 089 / 289 27 477 oder 089 / 2721856
www.echtzeithalle.de