222. Montagsgespräch im Musiklabor München
Gespräch über kleinste Klang-Einheiten
Axel Baune und Dieter Trüstedt
Gespräch zwischen einem Informatiker (und Klangforscher)
und einem Physiker (und Künstler) als Art-Lecture mit Live-Beispielen
Wir sprechen über kleinste Klangbröckchen von z.B. 25 Millisekunden
Dauer - kleiner als 5 mm auf einem 19cm/sec-Tonband. Wie klingt so ein
Schnipselchen Klang? Wie verändert es sich, wenn wir längs eines
gesprochenen Textes entlang wandern? Wie klingt das "k" oder das
"l" im Text "... die kleine Schachtel ..."? Wir
spielen diese kleinste Klang-Einheit auf dem Keyboard (oder auf den Tasten
eines Laptops): Wie verändert sich das Grain - so heißt es in der
englischen Literatur - bei verschiedenen Tonhöhen? Es wird schneller oder
langsamer ausgelesen, hat aber immer noch denselben Informationsinhalt,
der mit verschiedenen Geschwindigkeiten vorgetragen wird. Wir spielen also
live diese Grains und schauen uns die Zeit- und Inhalts-Diagramme an. Wir
zeigen z.B. auch den Anfangsklang des a4-Tones auf dem Auditorium-Flügel
und die Anfangsklänge anderer a-Töne. Schön sind auch die Grains des
"Provenzalischen Esels" z.B. wenn er gerade die Luft einzieht
und dabei das lustige "i" formuliert in seinem bekannten
"i-a". Siehe hierzu die Musik im Pfingstsymposion vor kurzem: http://www.luise37.de/2006/pfingstesel/index.
Was passiert, wenn wir kleine Häufchen dieser Grains bilden und mit diesem Häufchen entlang der gesamten Klangspur wandern? Wir hören den vollständigen Inhalt in der richtigen Tonhöhe, wenn wir mit der normalen Lesegeschwindigkeit wandern. Wenn wir stehen bleiben, hören wir - im Gegensatz zu einem angehaltenen Tonband - den momentanen Klang weiter klingen, so lang wie wir wollen, auch wenn es Stunden oder Tage sind. Dieser angehaltene Klang hört sich wie ein 100-stimmiger Chor an, der z.B. gerade ein "a" singt oder gerade das "k" usw. Wie diese Häufchen oder Wolken gebildet werden, zeigen wir in verschiedenen Experimenten.
Iannis Xenakis ging davon aus, dass jeder Klang aus solchen kleinsten
Einheiten zusammensetzbar ist. Aus dieser Idee heraus entwickelte er seine
"Stochastische Musik" - und er sagt:
Die Komposition eines Klanges durch eine Reihung von Elementarklängen
mit Übergangswahrscheinlichkeiten geschieht auf ähnliche Weise auch bei
einem Streichinstrument: Die Bogenhaare ziehen zunächst die Saite so
lange, bis die Spannung zu groß wird und sie nicht mehr am Bogen haften
kann, zurückspringt, kurzzeitig schwingt und dann von den Bogenhaaren
wieder erfaßt wird und sich der Vorgang wiederholt. Diese Wiederholungen
werden jedoch geringfügig immer unvorhersagbar voneinander abweichen.
Gerade diese Abweichungen haucht dem Klang jedoch seine „Seele“ ein.
Wir werden diese Gedanken nicht nur verbalisieren, sondern - wie gesagt
- auch anhören, variieren und auf Zuhörerwünsche eingehen: Die
Computer-Programme Pure Data (geschrieben von Puckette Miller und
kostenfrei bei http://crca.ucsd.edu/~msp/software.html)
oder Reaktor (
http://www.native-instruments.com/)
ermöglichen solche Experimente, wenn sie entsprechend programmiert oder
"geschaltet" werden. Die Literaturliste befindet sich in:
http://www.luise37.de/2006/montag-222/grain.htm.
Dort sind auch die verwendeten Schaltungen beschrieben - in ihrer
einfachsten Form.
Von 14. bis zum 17. Juli 2006 veranstaltet das Musiklabor München ein
Pure-Data-Seminar mit Tagung (Vorträge und Diskussionen über andere
Computerprogramme der Elektronischen Musik): http://www.luise37.de/2006/puredata/tagung2006.htm bzw. das Pure-Data-Seminar:
http://www.luise37.de/2006/puredata/seminar-so2006.htm.
Montag, 26. Juni 2006 - 20:00 Uhr
Eintritt frei oder Spende
Carl Orff Auditorium
München, Luisenstr. 37a
U-Bahn U2 Königsplatz
Musiklabor
Veranstalter:
Echtzeithalle e.V.
in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik und
Theater München
Tel. 089 / 289 27 477 oder 089 / 2721856
www.echtzeithalle.de