Akustische Interventionen im M·f·ADer Gesang des Doryphoros | ![]() |
Jörg Schäffer München
Der Kanon des Polyklet ist ein auf der √2 basierendes Proportionalmaßwerk des antiken Bildhauers Polyklet (um 480 v. Chr.). Statuarisch realisiert ist es in seinem Doryphoros (Speerträger, 440 v. Chr.), der in zahlreichen Kopien erhalten ist. Kleinste Maßeinheit ist die Länge der äußersten Phalanx des kleinen Fingers (letztes Fingerglied). Die Länge der mittleren Phalanx beträgt das √2fache dieses Wertes und die Länge der inneren Phalanx wiederum des √2fache der Länge der mittleren Phalanx, also das √2·√2 = 2fache der Länge der äußeren Phalanx. Die Summe dieser Phalangenlängen (1 + √2 + 2 = 4,414214) wiederum definiert die Länge des Handrückens vom Fingergrundgelenk bis zum Ansatz der Elle¹. Diese geometrische Serie setzt Polyklet fort und erhält daraus die Abmessungen für Arm, Bein, Brust etc. bis zur vollständigen Höhe der Statue mit √2·64 = 90,5 Einheiten. Im „Gesang des Doryphoros” (Jörg Schäffer, 2016) ist dieses Maßsystem Grundlage und wird akustisch/musikalisch umgesetzt. Besondere Herausforderung ist der dabei entstehende Kontrast der Intervallharmonizitäten. Während die Faktoren 2, 4, 8 etc. relativ harmonische Oktavverschiebungen erzeugen, führen die Faktoren √2, 2·√2 und 4,41421 (s.o.), akustisch zu den normalerweise als extrem unharmonisch empfundenen Transpositionsergebnissen Tritonus, Oktave + Tritonus bzw.Doppeloktave + 1¾ Halbton. Auch rhythmisch führen diese Faktoren zu komplexen Resultaten, während die Faktoren 2, 4, 8 jeweils „nur” zu einer Verdopplung bzw. Halbierung der Notenwerte führt (Halbe, Viertel, Achtel etc.). Ein erläuternder Vortrag geht dem rein akustischen Teil der Intervention voraus. Jörg Schäffer 2016 | Doryphoros des Polyklet mit einigen Proportionalmaßen, M·f·A München, Photo und Bearbeitung: Jörg Schäffer. |
Quellen:
Wikipedia: Polyklet,
Kanon des Polyklet,
Mathematics and art
¹) Lawton, Arthur, J. (2013) „Pattern, Tradition and Innovation in Vernacular
Architecture”. Past 36.
In Zusammenarbeit mit dem Museum für Abgüsse Klassischer Bildwerke
und mit der Hochschule für Musik und Theater München