MUSIK UND MATHEMATIK
KONZERT
Samstag 2. Juli 2011 20 Uhr
Carl Orff Auditorium München, Luisenstr. 37a
Programm
KAY WESTERMANN
Hommage an Bela Bartok
für 2 Klaviere und Schlagzeug (2004) Kay und Inge Westermann, Klaviere
/ N.N., Schlagzeug
JAN MÜLLER-WIELAND
Klavierstück / Solist: Jan Müller-Wieland
DIETER TRUESTEDT / HANS WOLF
Chaosklavier für Klavier und Computer
Dieter Truestedt - Computer und Hans Wolf - Klavier
TOBIAS PESCHANEL
Von der Freiheit der Unterdrückten für Klavier / Solist: Tobias Peschanel
HELMHOLTZ-PROJEKT
Zeitwerke für Laptop-Ensemble / Ltg. Dieter Trüstedt
Spieler: Barbara Herold, Peter Dietz, Sebastian Loh, Veronica Hoffmann, Martin
Siegler
JÖRG SCHÄFFER
per aspera
Klavier und Elektronik / Solist: Jörg Schäffer
GEORGE CRUMB
Music for a Summer Evening (Makrokosmos III)
Werk f. 2 Klaviere + 2 Schlagzeuger
Solisten: Kay Westermann, Tobias Peschanel, N.N. (Klasse Prof. Dr. Peter Sadlo).
Konzert des Musiklabors / Echtzeithalle München in Kooperation mit
Studenten und Dozenten der Hochschule für Musik und Theater München
und freien Komponisten und Künstlern
MUSIK UND MATHEMATIK
Im Alltag des Musikbetriebes wird die mathematische Innenstruktur der Musik so wenig direkt wahrgenommen, wie zum Beispiel beim Menschen nur in besonderen Fällen das Wissen über seine Anatomie notwendig ist - dann aber dringend. Die Musik und die Mathematik haben scheinbar eine unabhängige Ästhetik - und doch wurde über Jahrhunderte - im frühen Mittelalter - die Musik als eine (Natur-) Wissenschaft behandelt, die mit Hilfe der Mathematik Konstruktionsprinzipien der Musik erforschte und weiterentwickelte.
In dem interdisziplinären Konzert MUSIK UND MATHEMATIK werden Berührungspunkte dieser beiden konträren und gleichzeitig zusammengehörenden Welten präsentiert. Beide Disziplinen werden in ihren jeweiligen Bedingungen und Schönheiten als Einheit dargestellt. Diese werden mit Kompositionskonzepten, mit mathematischem Wissen und auch mit modernster Computertechnologie realisiert.
Das Helmholtz-Projekt der Echtzeithalle (Zeitwerke, Chaosklavier und per aspera) unternimmt einen direkten Rückgriff auf die Musiktheorien der Mathematiker Leibniz und Euler, aber auch der Philosophen Decartes und Kant und der Naturwissenschaftler Newton und Helmholtz. Diese leiten ihre Musiktheorien aus den Schwingungsformen (Pythagoras und Fourier) der Saite ab. In vorausgegangenen Seminaren wurden Computerprogramme entwickelt, die exakte Berechnungen in real time in die Aufführung tragen (Teiltonfelder, Zeit-Klang-Fenster, komplexe arithmetische Rhythmen; u.a. Boolesche Algebra).
Das Konzert MUSIK UND MATHEMATIK ist ein Auftakt zu Exkursionen in die aktuellen Wissenschaften der Gebiete Gravitation und allgemeine Wellen-Materie-Formen vielleicht eine Anknüpfung an das Quadrivium.
Logo:
musica est exercitium arithmeticae occultum se numerare nescientis animae
Musik ist eine verborgene Rechenkunst des seines Zählens unbewußten
Geistes.
Gottfried Wilhelm Leibniz
Kontext:
René Decartes (1596-1650), Blaise Pascal (1623-1662), Isaak Newton (1642-1726),
Gottfried Wilhelm Leibniz (1644-1716), J.S. Bach (1685-1750), Leonard Euler
(1707-1783), Emanuel Kant (1724-1804) u.a.
die Philosophen, Künstler und Naturwissenschaftler hatten sich in dieser
Zeit intensiv auch mit den Gesetzen der Musik auseinandergesetzt die
Musik galt im Kontext des Quadriviums als Teil der Naturwissenschaft (Arithmetik,
Geometrie, Musik und Astronomie).
Yang-Hui-Dreieck wie es in einem Buch von Zhu Shijie aus dem Jahre 1303 beschrieben
ist. In diesem Dreieck sind auch die Fibonacci-Zahlen eingeschrieben.
Siehe auch Pascalsches Dreieck und die Übertragungen zur Musiktheorie.
Notizen zu den Werken, Arbeiten
Hommage an Bela Bartok - Kay Westermann für 2 Klaviere
und Schlagzeug (2004)
Hommage an Bela Bartok ist ursprünglich Teil eines Zyklus für
2 Klaviere, der kompositorische Würdigungen verschiedener Komponisten (John
Williams, Wilhelm Killmayer, Claude Debussy etc.) beinhaltet. In Anlehnung an
Bartoks Sonate für 2 Klaviere und Schlagzeug gibt es auch eine Fassung
für diese Besetzung, die heute zu hören ist. Der musikalische Bezug
von Bartoks Musik zu Fibonaccizahlen und dem goldenen Schnitt ist lange schon
Gegenstand der musiktheoretischen Forschung. Neben der ästhetischen Annäherung
an Bartoks Stilistik hat mich bei der Komposition meiner Hommage
gereizt, das System der Fibonaccizahlen, das sich bei Bartok sowohl auf der
elementaren Ebene der Intervalle (also sukzessiv melodisch und simultan harmonisch
in Klängen) als auch auf der strukturellen Ebene der Formproportionen und
der Tonalität wieder findet, konsequent und bewusst anzuwenden (was bei
Bartok möglicherweise unbewusst funktioniert). Ob das Experiment aufgegangen
ist, soll der Hörer entscheiden.
Klavierstück Jan Müller-Wieland
Mein Klavierstück von 1987 geht von periodischen Flächen aus, welche
in sich zumeist chromatisch organisiert sind und die bestimmten Verwischungen
durch den Überreiz an Obertonkaskaden ausgesetzt werden. D.h. der entropische,
fast stochastische Aspekt von Musik und Mathematik hat mich damals angezogen
bzw. das Dekonstruieren von Proportionen.
Chaosklavier Dieter Trüstedt und Hans Wolf
ist eine Arbeit, die das Spiel mit temperierten Tonhöhen und das Spiel
mit chaotischen Tonhöhen im selben Stück und gleichzeitig
gegeneinander und auch zueinander stellt. Die chaotischen Tonhöhen werden
in den 8 Oktavräumen des Flügels aus dem jeweiligen A in diesem Raum
berechnet - mit Hilfe der bekannten Feigenbaum-Formel. Dieter Trüstedt
spielt diese live berechneten Töne am Computer. Die Klänge
der acht A-Töne wurden vorher vom selben Flügel und im selben Raum
aufgenommen.
Von der Freiheit der Unterdrückten (2011) für Pianoforte,
Tobias Peschanel
In meinem Klavierstück Von der Freiheit der Unterdrückten
wird der Interpret Teil eines Experimentes: Mag er zu Beginn noch glauben, daß
er der Auslöser einer Kausalkette sei, wird ihm doch schnell klar, daß
er bereits das Resultat einer solchen ist. Jede seiner Willensäußerungen
führen nur zu einer neuen Form der Unfreiheit, jeder Ausweg wird zu einem
neuen Gefängnis.
Zeitwerke - Helmholtz-Projekt
sind kompositorische und gleichzeitig relativ frei gespielte Arbeiten aus dem
Helmholtz-Projekt. In dem Buch Tonempfindungen (1863 / 1913)) von
Helmholtz ist eine Tabelle wiedergegeben, die das Terzenfeld mit einfachen Brüchen
der Teiltöne 4 bis 6 beschreibt. Für die Zeit-Innenstrukturen der
vorgestellten Musik werden ebenfalls einfache Zahlenfolgen verwendet
z.B. die Fibonacci-Reihe, Zahlen des Pascalschen Dreiecks, Primzahlen-Abstände
etc. Das Laptop-Ensemble spielt live mit Computerprogrammen, die in dem Projekt
entwickelt wurden.
per aspera Jörg Schäffer
ist eine Arbeit, die sich mit der Rauhigkeit von Klängen befasst. Ausgehend
vom Helmholtzschen Harmoniebegriff geht es dabei auch um die Rauhigkeit
im Sinne der akustischen Kommunikation (Ernst Terhardt, TU München). Was
passiert, wenn ich meine Rauhigkeitsbeobachtungen auf den Rhythmus übertrage?
Die Rauhigkeit wird zunächst als Antipode der Harmonie mit mathematischen
Methoden erfasst (Hier spielen u. a. Optimierungs- und Sortierungsalgorithmen
eine Rolle) und dann in einen sinnlichen Rahmen (Musik, Konzert) zurückgestellt.
Music for a Summer Evening (Makrokosmos III) George Crumb Werk
für 2 Klaviere + 2 Schlagzeuger,
Kay Westermann, Tobias Peschanel, N.N. (Klasse Prof.Dr.Peter Sadlo)
... As in several of my other works, the musical fabric of Summer Evening results
largely from the elaboration of tiny cells into a sort of mosaic design. This
time-hallowed technique seems to function in much new music, irrespective of
style, as a primary structural modus. In its overall style, Summer Evening might
be described as either more or less atonal, or more or less tonal. The more
overtly tonal passages can be defined in terms of the basic polarity F#-D# minor
(or, enharmonically, Gb-Eb minor)....Nähere Information: http://www.georgecrumb.net/comp/makro3-p.html
CVs der Komponisten, Spieler, Ensembles
Jan Müller-Wieland, geb. 1966 in Hamburg. Nach seinem Studium bei
Hans Werner Henze,Friedhelm Döhl und Oliver Knussen lebte Jan Müller-Wieland
durch Stipendien der Villa Massimo (Rom) , der Cite des Arts (Paris) und des
Tanglewood Music-Center (Leonhard-Bernstein-Foundation,Seiji Ozawa-Fellowship-Programm)
zwei Jahre im Ausland, bevor er als freischaffender Komponist und Dirigent 1993
nach Berlin zog. Er erhielt zahlreiche, internationale Preise, u.a. 2002 den
Förderpreis für Komponisten der Ernst-von-Siemens-Musikstiftung.
Über neunzig Werke entstanden bisher. Seit 2007 Professor für Komposition
an der Hochschule für Musik und Theater München. Werke, Uraufführungen,
Festivals, Opern, Kompositionen für Ensembles der Neuen Musik - siehe:
http://www.janmueller-wieland.de/
Kay Westermann, 1958 in Essen geb. Lebt seit 1964 in München. Er studierte Komposition bei Wilhelm Killmayer und Wolfgang Rihm sowie Musik- und Theaterwissenschaft bei Rudolf Bockholdt und Dieter Borchmeyer. Seit 1990 lehrt er als Professor für Gehörbildung und Musiktheorie und Komposition an der Hochschule für Musik und Theater in München Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Stipendien, u.a. den Förderpreis für junge Komponisten ernster Musik in Stuttgart 1984 . 1987 war er Stipendiat des Staates Bayern an der Citè Internationale des Arts in Paris. Seine Werke umfassen Vokalmusik, darunter etliche Liedzyklen und Chorwerke, Kammermusik, Klaviermusik und Musiktheater.
Dieter Trüstedt, geb. 1939 in Berlin, Physiker und Künstler.
Forschung auf dem Gebiet der Musik, des Klanges und des Lichtes. Performances
auf internationalen Festivals (Darmstädter Ferienkurse, Pro musica nova
Rundfunk Bremen, WDR Köln, Festival der IGNM in Helsinki und Stockholm
u.a.). Zusammenarbeit mit Yoshi Oida (Paris) u.a. Interrogations (Paris, London,
Berlin, Hamburg, Amsterdam, Rom, New York, L.A., Sao Paulo, Mexiko u.a.). Lehraufträge
an der HdK Berlin, Universität Ulm, Musikhochschule München. Aufbau
der Experimentellen Musik Universität Ulm und der Echtzeithalle München.
www.luise37.de und
www.echtzeithalle.de
Tobias Peschanel, geb. 1983. Gymnasium in Augsburg. Instrumente: Klavier,
Trompete, Horn, Tuba, Cembalo, Orgel. Gesang. 2006 wurde er Student bei Wilfried
Hiller, bei dem er bis 2009 Komposition studiert. Seit 2009 Studium Komposition
bei Jan Müller-Wieland, Klavier bei B. Koehlen und V. Suchanow und Dirigieren
bei N. Groh und U. Nicolai an der Hochschule für Musik und Theater, München.
Sein Werkregister umfasst Stücke für unterschiedliche Besetzungen,
vom Klavierlied bis zum symphonischen Orchesterstück, Auftragswerke für
die Landeshauptstadt München, die Ernst-von-Siemens-Musikstiftung, den
Ökumenischen Kirchentag 2010 und die Bayerische Akademie der Schönen
Künste. u.a. http://www.chorisma-eichstaett.de/Tobias_Peschanel.html
Jörg Schäffer, geb. 1959, klass. Instrumentalausbildung am
Klavier, 1977 1984 Studium der Biochemie, 1993 Promotion. Seit 1977 kompositorische
Tätigkeit, seit 1983 Beschäftigung mit experimenteller Musik und Notation,
1993 Musik für Theaterinszenierungen in Kiel, Gießen, Hannover, Hamburg,
Konstanz, Budapest und Erfurt. , Lehrkonzerte und Art Lectures. 2003/2004 Bühnenmusik
zu Faust I in Ingolstadt, 2005 water music , Vertonung von Wassermolekülen
...http://www.joerg-schaeffer.de
George Crumb, George Crumb (born October 24, 1929) is an American composer
of modern and avantgarde music. He is noted as an explorer of unusual timbres,
alternative forms of notation, and extended technique. Examples include spoken
flute (one speaks while blowing into the instrument) and glass marbles poured
onto an open piano. .... Crumbs music: After initially being influenced
by Anton Webern, Crumb became interested in exploring unusual timbres. He often
asks for instruments to be played in unusual ways and several of his pieces
are written for electrically amplified instruments.http://en.wikipedia.org/wiki/George_Crumb
Hans Wolf, geb. 1958 in Braunschweig. Klavier. Mitglied des Autorenensembles
München. Klavierstudium incl. Meisterklasse an der Musikhochschule Freiburg
i. Br. bei Prof. Edith Picht-Axenfeld (1976-1981). Aufbaustudium an der Musikhochschule
München Neben traditionellem Klavierspiel gewannen in den letzten Jahren
zunehmend die Gebiete der Improvisation, Komposition und des Musiktheaters an
Bedeutung. Mitglied der Gruppe N.I.E. und vieler anderen Gruppierungen u.a.
der Echtzeithalle München. Siehe http://www.hanswolf.de
Helmholtz-Projekt, Leitung: Dieter Trüstedt, Arbeitsgruppe seit
Herbst 2010 an der Hochschule für Musik und Theater München
zur Zeit das Thema Teiltonfeld in Tonempfindungen (1863 / 1913)
des Physiologen und Wahrnehmungsforschers Hermann von Helmholtz - speziell das
Terzenfeld 4/4 bis 6/6. Erweiterung des Terzenfeldes auf eine Oktave 4/4 bis
8/8 (vor allem Arbeiten mit dem siebenten Teilton) und die Einbeziehung der
Zeit mit dem Projekt Zeitwerke: Fibonacci-Reihe, Pascalsches Dreieck,
Primzahlen, Fraktale, Boolesche Algebra etc. als Zeitmuster in der Musik. Arbeit
u.a. mit geometrischen Klängen und Phonemen zur Klangfarbengestaltung.
Teilnehmer am Projekt: Peter Dietz, Barbara Herold, Martin Siegler, Veronica
Hoffmann und Sebastian Lohhttp://website.musikhochschule-muenchen.de/de/ Stichwort: Computermusik
