288. Montagsgespräch
NEITHER
nach Samuel Beckett
Stimme, Projektion, Computermusik
Ulrike Döpfer und Dieter Trüstedt
Montag 9. Mai 2011 20 Uhr / Eintritt frei
Carl Orff Auditorium München
Luisenstr. 37a, U-Bahn Königsplatz
Achtes Montagsgespräch im Rahmen des Projektes
MUSIK UND SPRACHE in Zusammenarbeit mit der
Hochschule für Musik und Theater München,
dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München,
dem Bezirk Oberbayern und der Echtzeithalle e.V.
NEITHER <> WEDER
Ausgangsmaterial ist der Text von Samuel Beckett. Er beginnt mit den Zeilen:
"to and fro in shadow from inner to outer shadow from impenetrable self
to impenetrable unself by way of neither". NEITHER besteht aus sechzehn
Zeilen in zehn Textblöcken und hat mit dem Titel 88 Worte. Der Komponist
Morton Feldman hat Samuel Beckett für einen Text zu einer Oper gebeten.
Das ist dieser Text. Text und Übersetzung ist zum Beispiel nachzulesen
in:www.zeitgenoessische-oper.de.
Dieser Text wird in englischer und deutscher Sprache von Ulrike Döpfer
vorgetragen - einmal oder mehrmals.
Englisches und deutsches Sprach-Grau als Live-Musik
Die englische und die deutsche Lesung - als zunächst monochromes Ereignis
- wird anschließend über jeweils zehn zeitlich unabhängige "CD-Spieler"
wiedergegeben. Alle zwanzig Einspielungen sind gleichzeitig aber zeitlich versetzt
- als deutsch-farbiges und englisch-farbiges Sprach-"Grau", dann die
Sprachen in einzelnen Blöcken deutlich, dann einzelne Hervorhebungen, dann
mehrere Hervorhebungen über dem fast undurchsichtigen Sprach-Untergrund.
Es ist die dieselbe Stimme aller zwanzig Lesungen, damit allein der Klangunterschied
des Englischen bzw. des Deutschen wirken kann.
Sprach-Pigmente, Granulare und Phoneme der Musik
Aus den gesprochenen Worten werden Phoneme und feinere Klang-Teilchen gewonnen
und nach neuem rhythmischem Muster eingespielt. Durch die Prägnanz des
Klanges dieser Sprach-Pigmente liegen sie deutlich über dem Sprach-Grau.
Sie erfüllen eine musikalisch-künstlerische Aufgabe in der Musik.
Die Rhythmen werden von einem Zeitwerk erzeugt, das Tonhöhe und Zeitpunkt
nach einfachen Zahlenverhältnissen steuert - nach n/m mit n und m von 4
bis 9, also 36 verschiedene Klang-Zeit-Punkte.
Beobachtet wird in der Musik auch der Unterschied englischer und deutscher Pigmente
d.h. Färbungen der Klang-Körnchen. Die Auswahl der Pigmente aus den
beiden gesprochenen Texten geschieht nach künstlerischen Aspekten.
Farb-Schatten-Kante als virtuelles Bühnenbild
Ein feiner, kaum wahrnehmbarer, senkrechter Farbsprung bewegt sich über
die Leinwand, er verschwindet, ist nur noch ahnbar, taucht an einer anderen
Stelle wieder auf, zerfließt, die Farbe bewegt sich im Farbkreis weiter,
zeigt einen neuen Sprung. Das Auge merkt sich eine Zeitlang die vorhergehende
Szene, baut sie mit dem neuen Bild zusammen, die Farben und Strukturen vorhergehende
Szenen ziehen sich aus dem neuen Bild zurück. Mal wird der Sprung nur noch
imaginiert, dann ereignet er sich an einer anderen Stelle. Dieses Spiel wird
vom selben Musik- und Bild-Programm gesteuert: Pure Data. Siehe: http://puredata.info/community/projects/software
Unbestimmtheitsrelation von Heisenberg
Die Aussagen der Unschärfe- oder Unbestimmtheits-Relation von Heisenberg
können in dieser Arbeit gedanklich einbezogen werden - siehe Wikipedia.
Das Flackern der Erscheinung eines atomaren Teilchens zwischen bewegter Masse
und Welle bietet gute Anregungen. Siehe auch "Quantentheorie und Philosophie"
von Werner Heisenberg, Reclam 9948.
Diskussion
Wie weit Samuel Beckett von diesem Phänomen aus der Naturwissenschaft beim
Entwurf seines Textes beeinflußt war, ist offen, d.h. es besteht vielleicht
ein übergeordneter oder metaphorischer Zusammenhang. In der Montagsdiskussion
wird von der Entstehungsgeschichte von NEITHER ausgegangen, von dem Gespräch
zwischen Samuel Beckett und Morton Feldman, das zunächst zu der einen Zeile
führte: "To and fro in shadow, from outer shadow to inner shadow.
To and fro between unattainable self and unattainable non-self."