SPRACHFETZEN
AN DER ZEITKANTE
Musikperformance
Haus der Kunst, München
Sonntag 19. Sept. 2010 - 16 Uhr
Dauer 45 min
Konzept und Grafik: Dieter Trüstedt
Handlung, Bewegung: Sonja Hafenmayer
Musik:
Dieter Trüstedt - Chin-Instrument
Peter Dietz - Pure Data - Computer musik
Ich klappe verschiedene Handlungen auf und zu. Bewege mich in Monolog, Geste,
Schweigen, Gedanke und Spiel.
Die statische Dynamik meiner Handlungen und Körperbewegungen teilt den
Raum, die Klänge und das visuelle Angebot in Stücke und tendenziert
sie. Eine Art Handlungsgedicht zwischen erinnern und dem aktuellen um-mich-herum
was dann ins Jetzt-Zeit-Tun mündet. Sonja Hafenmayer
Die Inszenierung:
Sonja Hafenmayer hat einen schwarzen Hocker und eine schwarze Bank oder Tisch
oder Liegefläche.
Peter Dietz steuert einen Laptop, ruft 9 Klangflächen auf - Dauer je 9
min.
Dieter Trüstedt spielt ein Chin-Instrument - eine moderne Version des klassischen
Qin.
IM HAUS
ist das Thema der Großen Kunstausstellung, Haus der Kunst, München.
bt
Sonja Hafenmayer, Handlung
Halle Nord, erster Stock im Haus der Kunst, mittlerer Teil. Gedämpftes Licht, Geräusche von anderen Kunstwerken, ein Tisch mit zwei Laptops, Mischpult, vier kleine Lautsprecher, zwei Stühle, ein Chin-Instrument quer auf einem Stativ. Peter Dietz sitzt am Tisch und spielt am Laptop die Hintergründe: Tango-Noise, Trommelhorn, Zikaden, Wolkensegler u.a. Dieter Trüstedt spielt das Chin-Instrument vor allem mit dem Bogen - die Saiten variabel gedämpft und viel Flageolett. Die Bogenstriche achten auf die Handlungen von Sonja Hafenmayer - als Sprachfetzen.
DIETER TRÜSTEDT
Geb. 1939 in Berlin, promovierter Physiker und freiberuflicher Künstler.
Musikinstrumentenbau und Lichtprojekte für Architekturen. Musikperformances,
Musik zu Tanz und Theater. Zusammenarbeit mit Yoshi Oida - Aufführungen
in London, N.Y., L.A., Mexiko, Sao Paulo, Europa. Lehraufträge an der HdK
Berlin, der Uni Ulm und der Musikhochschule München.
Computer-Musik und Computer-Grafik, virtuelle Bühnenbilder. Musiklabor
und Echtzeithalle München. www.luise37.de
SONJA HAFENMAYER
Bewegung, Handlung, Platzierung. Immer auf Impovisation basierende Performances.
Oft im Solo. Sucht gern Störfaktoren im Interdisziplinären, also im
Austausch mit Künstlern und Wissenschaftlern.
Performerin und Arbeiterin. Geboren im Allgäu, lebt jetzt in München.
Zeitgenössische Tanzausbildung in Nürnberg und München. Workshops
mit: Oleg Soulimenko - Improvisation: Matrix of Memory; Rosemary Butcher - Finding
Identities, Chorographic Studies; Jess Curtis - Fundamentals of Motion, Precision
Contact; Daniel Lepkoff - Physical approach to spontaneous composition; Kirstie
Simson Contact Improvisation; Tai Chi Dao-Yin bei Chiang Mei Wang (Meister
Wei Shong; Cloud Gate Dance Theatre; Sten Rudström Action Theatre;
Yuko Kaseki Butoh; Beate Mathois Alexandertechnik; Joao Fiadeiro
Critical Zone; Jonathan Burrows Articulating Dance; Lambrini Konstantinou
Body Mind Centering
PETER DIETZ
1941 geb. in Würzburg, lebt in Utting / Bayern. 1969 Meisterprüfung
als Graveur und Medallieur. 1978-1981 Studium bei Peter Zeiler, München.
Mitglied der Künstlervereinigung "Neue Gruppe", Mnchen. Mitglied
im Berufsverband Bildender Künstler. Stipenien: 1988 Civitelle D'Agliano,
Italien; 1989-1990 Paris - Cité Internationale des Arts; 1991 Kloster
Irsee; 1993 Casa Torre San Marco, Italien. Ausstellungen seit 1979 im In- und
Ausland. Projekte u.a. 1999 "Zeichnen und Schreiben" mit Albert Vinzens,
Basel. Multimediale Projekte: 2008 Haus der Kunst, München; 2009 Schloss
Ettlingen; 2009 Wrapgesänge mit Dieter Trüstedt und Sonja Hafenmayer,
Haus der Kunst, MÜnchen. Werke: Bayerische Staatsgemäldesammlung und
Adi Dassler Stiftung.
Elektronische Musik / Computer-Musik
Schaltung mit dem freien Programm Pure Data (Miller Puckette, UCSD, San Diego)
(1) -
Entwicklung der abgebildeten und verwendeten Schaltung, Dieter Trüstedt
Philosophie der Musik
Nach dem Konzept des Quadriviums - Geometrie, Arithmetik, Astronomie und Musik
- wird die Musik in der verwendeten Schaltung (siehe Abbildung) entworfen: Klang,
Zeitstruktur und die Kräfte zwischen den Tönen erzeugen bzw. sind
Musik.
1. Klang
Die Idee scheint spekulativ zu sein, dennoch: in der elektronichen Musik waren
seit den 1960er Jahren die geometrischen Formen - Sinus, Dreieck, Rechteck -
die zentralen Ursprungsmaterialien des Klanges, angereichert mit weißem
Rauschen und dem Impuls. Additionen, Multiplikation und Filter variieren diese
Grundformen zu einer unendlichen Klang-Vielfalt - mögen es nun Naturklänge
sein, wie Zikaden, Wind und Regen oder Instrumentalklänge, wie Klavier,
Flöten, Pauken, Streichinstrumente oder Klänge aus dem modernen Sound-Design.
2. Zeitstruktur
Um den Klang in die Zeit zu setzen, werden - neben der mit der Hand gespielten
Tastatur - in der elektronischen Musik sogenannte Sequenzer verwendet, Schaltungen,
die den zeitlichen Ablauf steuern. In der oben abgebildeten Schaltung sind es
vor allem "Zeitmaschinen". Diese Maschinen sind wie komplexe Uhrwerke,
die arithmetische Strukturen, Formeln und Formalismen in Bewegung setzen. Einfaches
Beispiel ist die Fibonacci-Reihe (2), die nach variablen Vorgaben abgerufen
wird. Es können aber auch architektonische Formen, ornamentale Strukturen
oder auch Formen des Alltags sein - z.B. die Form eines Baumes, einer Landschaft,
eines Buchstabens oder auch eines einfachen Stuhles.
3. Tonkräfte
Die Kräfte zwischen den Tönen bestimmen - nach künstlerischen
Konzepten - die Tonhöhenabläufe, auch Melodien genannt. Die Kräfte
sind anziehender oder abstoßender Natur. Es gibt dazu viele Basis-Tonreihen
- neben dem üblichen Dur, Moll, der Chromatik und Pentatonik etc. auch
Vierteltonreihen, Dreivierteltonreihen, Ganztonreihen, aber auch Tonreihen mit
komplexen Tonhöhenverhältnissen z.B. die 6-7-8-Naturton-Reihe, die
natürliche Helmholtz-Reihe (3) oder frei gewählte Tonhöhenverhältnisse
außerhalb der Klaviertastatur, wie z.B. nach Chaos-Formeln berechnete
Tonhöhen.
Vor allem in der abendländischen Musik werden auch mehrere Töne zusammengefügt
zu sogenannten Akkorden, die vergleichbar wie Moleküle verschiedene Erscheinungen,
Eigenschaften und Wirkungen haben - das sogenannte "harmonische Gewebe"
(3).
1) Miller Puckette siehe http://crca.ucsd.edu/~msp/index.htm
2) Leonardo Fibonacci siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Leonardo_Fibonacci
3) Herrmann von Helmholtz, Tonempfindungen
siehe die komplette neue Abschrift der 5. Ausgabe von 1896 (Universität
Leibzig):
http://www.uni-leipzig.de/~psycho/wundt/opera/helmhltz/toene/TonEmpIn.htm
oder die Original-Ausgabe von 1863 als pdf-File
http://vlp.mpiwg-berlin.mpg.de/library/data/lit3483?The%20Virtual%20Liboratory