254. Montagsgespräch
garonne (24) für sich
garonne ? für sich
Bericht und Ausschnitte zur Videoplastik
Christoph Nicolaus
Der Berliner Komponist Carlo Inderhees und der Münchner Künstler Christoph
Nicolaus arbeiten seit mehreren Jahren immer wieder zusammen.
Am kommenden Montagsgespräch dem 2. Juli stellt, nach einer Einführung
von Wieland Grommes, Christoph Nicolaus zwei Projekte der beiden vor, die sich
dem Phänomen Zeit, ihrer Wahrnehmung und ihrer Erfahrung befassen. Beiden
vorzustellenden Projekten liegt das gleiche künstlerische Material zugrunde,
beide folgen aber einer je eigenen Zeitstruktur.
Das beiden Projekten zugrundeliegende Material besteht:
- aus für sich (Violoncello)1-24, von Carlo Inderhees 1997 komponiert.
für sich (Violoncello)1-24 ist eine Serie von Kompositionen für Violoncello
solo.
In jedem Stück bilden ein Klang und eine Pause gleicher Länge eine
Einheit.
Diese Einheit wird jeweils unverändert wiederholt.
Jedes Stück dauert 60 Minuten.
Die Lautstärke ist sehr gering. Die Klänge sind gerade noch oder fast
nicht mehr wahrzunehmen.
- aus garonne, einer seit 1996 entstehenden Videoplastik von Christoph Nicolaus.
Für garonne werden weltweit Flüsse auf Video aufgenommen.
Die Aufnahmen erfolgen auf einer Brücke, senkrecht von oben, mit Autofokus
und nah herangezoomt.
Es erscheint ein kleiner, manchmal in der Schärfe verschwimmender Ausschnitt.
Jeder Fluss wird zweimal gefilmt: einmal auf die Kamera zufließend, einmal
von der Kamera wegfließend.
Auf dem Bildschirm läuft die Fließrichtung von oben nach unten, bzw.
von unten nach oben.
Die Aufnahmezeit pro Video und Fließrichtung beträgt etwa 80 Minuten.
Der Ton ist ausgestellt.
Für die Simultan-Aufführung der Stücke von "für sich" und "garonne" haben Carlo Inderhees und Christoph Nicolaus zwei Modelle entworfen, "garonne (24) für sich" und "garonne ? für sich".
Bei "garonne (24) für sich" werden stets alle 24 Stücke
des Cello-Zyklus zusammen mit Aufnahmen der Video-Plastik an 24 aufeinander
folgenden Tagen aufgeführt, und zwar so, dass am ersten Tag die Aufführung
von Mitternacht bis ein Uhr morgens dauert, am zweiten Tag von ein bis zwei
Uhr morgens und so fort, bis schließlich alle 24 Stunden des Tages durchmessen
wurden und die letzte Aufführung in der letzten Stunde des 24. Tages liegt
und um 24:00 Uhr endet. Die Aufführungen eines Zyklus von "garonne
(24) für sich" finden jeweils im gleichen Raum bei gleichbleibender
Anordnung von Cellist und Monitoren statt.
Folgt hierauf ein neuer 24?teiliger Zyklus, so schließt dieser unmittelbar
an den vorhergehenden an.
Die erste Aufführung dieser zweiten Realisation eines solchen Zyklus, um
00:00 Uhr der entsprechenden Ortszeit, ist dann zugleich die 25. Aufführung
überhaupt und folgt daher der letzten des vorangegangenen Zyklus nicht
anders als eine Aufführung der anderen in ein und demselben Zyklus. Dadurch
ereignet sich bei "garonne (24) für sich" Zeit nur, wenn auch
Aufführungen seiner Einzelwerke stattfinden.
"garonne ? für sich" hingegen legt eine Zeit-Reihe aus jeweils
einer Stunde am Tag fest. In dieser Stunde kann, muß aber nicht, eine
Simultanaufführung der Einzelwerke stattfinden. (Meistens findet keine
statt.) Der Verlauf dieser Zeitreihe ist wie bei "garonne (24) für
sich", täglich eine Stunde später, ereignet sich aber unabhängig
davon, ob zu dieser Stunde auch eine Aufführung stattfindet oder nicht.
Sie schreitet Stunde um Stunde (um die Dauer einer möglichen Aufführung
also) von Tag zu Tag fort.
Die beiden Aufführungs-Modelle "garonne (24) für sich" und
"garonne ? für sich" etablieren Folgen von kalendarischen Zeitabschnitten,
in denen Aufführungen stattfinden.
"garonne (24) für sich" legt die Uhr-Zeit von 24 Konzerten an
24 aufeinanderfolgenden Tagen fest. Die Folge ist mit ihren 24 Folgegliedern
klar definiert und begrenzt. Findet eine zweite Serie von 24 Konzerten statt,
wird diese als Fortsetzung der zuvor begonnenen Folge gedacht.
"garonne ? für sich" hingegen etabliert eine Folge von potentiellen
Aufführungszeiten, an jedem Kalendertag eine, deren Beginn alle 25 Stunden
aufeinander folgt. Die Folge ist unbegrenzt, sie läuft seit ihrem Beginn
bis in die jeweilige Gegenwart. Hin und wieder finden Konzerte einzelner Stücke
aus "für sich (Violoncello) 1-24" zusammen mit Aufnahmen der
Video-Plastik "garonne" statt. Diese Aufführungen verstehen Inderhees
und Nicolaus als Materialisierungen einzelner Folgenglieder.
Christoph Nicolaus, geb. 01. April 1962 in München. Längere Auslandsaufenthalte, Studien in Kunstgeschichte, Philosophie, Ethnologie und Architektur in München und Bonn. Zweijähriges Bildhauerstudium an der Alanus Kunsthochschule Alfter. Ausstellungen, Performances und multimediale Projekte im In- und Ausland. Daneben immer wieder als Veranstalter tätig. Lebt in München.
Montag 2. Juli 2007 20 Uhr
Eintritt frei oder Spende
Seminarraum TU-Mensa, 2. Stock, Arcisstr. 17 Eingang Gabelsbergerstraße
U-Bahn U2 Königsplatz
Musiklabor
Veranstalter: Echtzeithalle e.V. in Zusammenarbeit mit
der
Hochschule für Musik und Theater München
Tel. 089 / 289 27 477 oder
/ 272 1856
www.echtzeithalle.de