ECHTZEITHALLE e.V. MÜNCHEN
HomeGesamtarchivBilderMonatsmusikMonatsklangKunst & Wissenschaft

255. Montagsgespräch

Bewegte Flächen - tanzender Punkt

Computer generierte Farbpunktverteilungen als Kunstform -
Vergleiche mit natürlichen Prozessen

Linde Peters

Irgendwann in den 70er Jahren begann ich, kariertes Papier zufallsverteilt mit den Ziffern "1" und "2" zu beschriften. Kästchen mit gleichen Ziffern verband ich jeweils zu einer Fläche und gab ihr eine Farbe. So entstanden Formen, die mit jeder Zahlenreihe wuchsen, "Landkarten" aus Kontinenten und Ozeanen mit grossen und kleinen Seen in den Landmassen und grossen und kleinen Inseln in den Meeren. Ich hatte das Gefühl, eine Welt zu betreten, die vor meinen Augen entstand.

Das war der Anfang von etwas, was im Laufe der folgenden Jahrzehnte sehr verschiedene Formen angenommen hat. Allen gemeinsam ist die Faszination, die sie auf mich ausüben und die zwei Ursachen hat: Die eine ist das Betreten der von mir geschaffenen Welten und die andere ist die Schönheit dessen, was sich darin aus Gesetzmässigkeit und Zufall und bildet.

Was ich im Montagsgespräch vorstellen möchte, sind Farbverteilungen, die sich auf dem Bildschirm nach bestimmten Programmen entwickeln. Die Programme enthalten begrenzte Zufallsbefehle bezüglich Farbwahl, Verteilung auf die Fläche und Zeitfolge.

Ich denke, dass Verbindungen aus Zufall und Gesetzmässigkeiten ein Grundprinzip aller Baupläne und anderer Erscheinungformen der Natur sind, der belebten und der unbelebten, z.B. Flussläufe, Eisblumen am Fenster, das Aussehen von Gebirgszügen in Luftaufnahmen oder eine Häuserwand mit wildem Wein im Winter. Wenn bei den Weinranken im Winter die Blätter abgefallen sind, erkennt man, wie der Kampf um einen sonnigen Fleck an der Wand zu einer etwa gleichmässigen Verteilung des Geästs geführt hat, der man noch die Dynamik ansieht, die dahin geführt hat.

Beim Betrachten der abstrakten Bilder habe ich Assoziationen. Von konkreten Assoziationen wie Rost auf Metall, Moos auf Stein, Wolken, Landkarten u.ä. - will ich hier gar nicht sprechen. Es gibt auch abstrakte Assoziationen (die wohl auch für das Hören von Musik Gültigkeit haben). Beim Ablaufen der Programme, die ich vorführen will, sehe ich Gegensätze, Abstufungen, Haupt- und Nebenakteure, Zusammenklänge, Nebenklänge, verschiedene Formen von Gleichgewichten. Das alles verändert sich, baut sich aus. Plötzlich betritt ein neuer Farbton die Fläche. Er kann zunächst als Störfaktor gesehen werden. "Der passt nicht rein". Aber mit seiner Zunahme auf der Fläche ändert sich dieser Eindruck. Allmählich übernimmt die neue Farbe eine Rolle und verändert die Rollen der anderen Farbflächen oder Strukturen. Das ganze Geschehen richtet sich neu aus, erhält einen anderen Schwerpunkt, eine andere Gesetzmässigkeit. Nach einiger Zeit befindet sich der Betrachter in einem - verglichen mit der vorausgegangenen Situation - grundlegend veränderten Umfeld. Er geht bei dieser Reise sozusagen nachvollziehend mit. Seine Aufmerksamkeit und seine Phantasie werden gleichermassen lebendig wach und in Aktion gehalten ..... wenn die Bildfolge für diesen Betrachter dafür geeignet ist.

Linde Peters, geboren 1937 in Gleiwitz, aufgewachsen in Hamburg, jetzt seit Jahrzehnten in München. Beruf: Biochemikerin; Nebenberufe: in den 70er Jahren Laienhilfe in der Psychiatrie, später aktive Mitarbeit bei den Grünen und in verschiedenen Organisationen (NGOs - u.a. Gen-ethisches Netzwerk, Umweltinstitut München, Kein Patent auf Leben). Mittlerweile in Rente, auch in Bezug auf die Nebenberufe.
Sonstiges: Eine Photoausstellung in den 80er Jahren, eine Ausstellung mit Computergrafik (1998), ein Buch "Reprotopia" zur Diskussion über die Fortpflanzungstechnologien (1992) sowie zahlreiche Artikel und Referate zum Themenkreis Technologie-Entwicklung, Gesellschaft und Politik.

BA12-30A, Linde Peters

Montag 9. Juli 2007 20 Uhr
Eintritt frei oder Spende
Seminarraum TU-Mensa, 2. Stock, Arcisstr. 17 Eingang Gabelsbergerstraße
U-Bahn U2 Königsplatz

Musiklabor
Veranstalter: Echtzeithalle e.V. in Zusammenarbeit mit der
Hochschule für Musik und Theater München
Tel. 089 / 289 27 477 oder / 272 1856
www.echtzeithalle.de

 
Letzte Änderung: 03.07.2007
 · Copyright © 1999 - 2024 Echtzeithalle e.V. · https://echtzeithalle.de?id=278