ECHTZEITHALLE e.V. MÜNCHEN
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157. Montagsgespräch im Musiklabor München

Nachbesprechung zum Hearing 2004

Echtzeithalle

Das 4. Hearing der Echtzeithalle im Musiklabor hatte zum Thema: Interdisziplinarität und neue Kunstformen (in München). Allgemein wurde das Thema sehr begrüßt, natürlich mit unterschiedlichen Akzenten:

Prof. Dr. Stefan Römer machte einen kleinen historischen Rundgang zur Interdisziplinarität vom DaDa, über die Wissenschaftsszene in den USA und in Berlin. Er sprach von den Risiken des interdisziplinären Handelns in der Wissenschaft und in der Kunst. Wichtig ist für ihn vor allem, dass sich jede Disziplin selbst genau definieren und kennen muss, wenn sie interdisziplinär arbeiten will.

Prof. Konstantia Gourzi sprach von dem alten, abgetragenen Kleid, das die Musik trägt, ein Kleid, das sie abstreifen will. Die Musik selbst hat kein Alter, ist immer frisch. Sie will die Distanz zwischen den Musikern und dem Publikum aufheben. Es geht ihr nicht um das Experiment als solches, sondern um die Lebendigkeit der Phantasie. Und sie verwies auf ihr Konzert am Sonntag 9. Mai um 11 Uhr in der Pinakothek der Moderne.

Michael Leonhart beschrieb die allgemeine Kulturszene. München als größte deutsche Kommune (neben den Stadtstaaten Hamburg und Berlin) gibt 160 Mill. EUR für Kultur aus. Davon gehen 140 Mill in die festen Institutionen (Philharmoniker, Kammerspiele, Volkshochschule etc.) und 20 Mill sind für Zuschüsse, Projektförderungen, d.h. ganz allgemeine für die nicht-institutionalisierte Kultur-Szene. Die "Freie Kunst im öffentlichen Raum" ist ein kleiner Teil davon. Zeitgenössische, experimentelle und innovative Projekte müssen gefördert werden. Das "Musikprojekt München" mit 90.000 EUR soll nachhaltig, kontinuierlich weiter gefördert werden, auch wenn es schwer ist, dies in der jetzigen Situation zu realisieren.

Prof. Dr. Dr. Lydia Hartl sprach von ihrem persönlichen Interesse am Interdisziplinären und der Schnittstellenfunktionen zwischen den Naturwissenschaften und den Künsten. Interdisziplinarität kann eine neue Sprache, eine Metaebene zwischen / über den Kathegorien bilden. Zur Zeit wird versucht im Kulturreferat die herkömmlichen Sparten aufzulösen, um aus übergeordneten Gesichtspunkten die Kultur fördern zu können. In den 20 Mill EUR ist (zur Zeit) nur ein kleiner Betrag für innovative und experimentelle Projekte vorgesehen. Um diesen Bereich zu stärken, sollten die Künstler nicht gegeneinander arbeiten, sondern sich zusammentun, eine Lobby bilden, das eigene Bewußtsein stärken und ein gemeinsames Sprachrohr finden und nutzen. Weitere Möglichkeiten liegen auch in einer Kooperation mit dem ZKM.

Prof. Dr. Katharina Landfester berichtete über die "Junge Akademie", in der interdisziplinäres Arbeiten im Vordergrund steht. Zum Beispiel sei zum Thema "Emotion" ein "Emotionales Gesetzbuch" entstanden. In den Arbeiten wird das Team aus Wissenschaftler, Künstler, Musiker, Geisteswissenschaftler etc. zusammengesetzt. Problematisch wurde es erst, als ein Verlag gesucht wurde. Das Buch paßt in kein Verlagsprogramm. Weitere Themen waren und sind z.B. "Selbstorganisation" und der Moment des "Heureka", des "Ich hab's gefunden". In der Runde wurde anschließend diskutiert, wer sich das "Emotionale Gesetzbuch" kaufen würde und warum. Das wissenschaftliche Ergebnis und die Öffentlichkeit (das Publikum) ist auch eine Schnittstelle, wie Lydia Hartl das Interdisziplinäre nannte.

Dr. Wolf-Dieter Trüstedt berichtete von den vorangegangenen Hearings, welche Ergebnisse sie hatten und was daraus geworden ist. Das "Musikprojekt München" ist eines der Ergebnisse. Weiterhin sprach er von den Aufgaben der Echtzeithalle, dem Musiklabor und ihrem besonderen Ort in München, der interdisziplinäres Arbeiten herausfordert. Das Hearing 2004 ist ein Gespräch über diese Interdisziplinarität und gleichzeitig über die freie Kunst- und Musikszene Münchens.

Das "Neue und Ungewöhnliche" in der Musik ist offenbar immer noch schwierig in München zu vermitteln und das typisch deutsche Abwehrvehikel "Dilettantismus" mit böser Vergangenheit gegen das Interdisziplinäre, Neue oder Ungewöhnliche wird schnell bemüht - auch unter den Künstlern selbst, nicht aber in diesem Hearing 2004, eine Auszeichnung für das Podium. Wie können wir die Aufforderung von Lydia Hartl an die freie Kunst-Szene in München, sich zusammenzutun und vor allem nicht gegeneinander zu operieren, stärker publizieren?

Wolfgang Schreiber hat in der SZ vom 4. Mai 2004 in der Rubrik "Zwischenzeit" unter dem Titel "Nova et rara" eine sehr ausführliche Vorankündigung zum Hearing 2004 "Interdisziplinarität" geschrieben. Das war überraschend.

 


 

 

Von links nach rechts:
Dieter Trüstedt, Katharina Landfester, Lydia Hartl, Michael Leonhart, Konstantia Gourzi und Stefan Römer.

Das Hearing 2004 fand am Dienstag 4. Mai 2004 um 20 Uhr im Musiklabor statt.

Montag, 10. Mai 2004 - 20:00 Uhr    

Eintritt frei

Carl Orff Auditorium
München, Luisenstr. 37a
U-Bahn U2 Königsplatz

Musiklabor

Veranstalter:
Echtzeithalle e.V.
in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik und Theater München

 
Letzte Änderung: 09.04.2022
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