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168. Montagsgespräch im Musiklabor München

Angela Dauber

MÃœNCHEN BAGDAD

ein Buch, ein akustischer Raum, eine Zeitcollage, geschrieben in sechzehn Wochen vom 21. März, dem Tag nach Ausbruch des Irakkriegs, bis zum 13. Juli 2003, dem Tag der ersten konstituierenden Sitzung des Regierenden Rates in Bagdad - ein Text zwischen Lyrik, Erzählung und Essay.

Auf der Folie der medialen Rezeption von Iraqi freedom erscheinen Bilder und Gegenbilder in der Tradition postmoderner Literatur: Privates und Öffentliches stehen gleichwertig nebeneinander, Alltagserfahrungen und Zeitgeschehen sind eng miteinander verwoben. Die Begegnung mit Thea Weltner, einer Verwandten von Gustav Mahler und Überlebenden von Theresienstadt, fokussiert den Leser nicht nur auf die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts, sondern integriert leitmotivisch die Themen Verstörung und Verlust. MÜNCHEN BAGDAD ist ein sehr persönlicher Text, der - ausgestattet mit historischer Tiefenschärfe - auf verschiedenen Ebenen die Wahrnehmung(en) des eigenen aktuellen Seins befragt.

MÜNCHEN BAGDAD ist kein linear erzähltes Geschehen, kein statischer Textblock. Die strukturelle Anlage folgt eher musikalischen als literarischen Prinzipien. In drei nebeneinander liegende, flatternde Spalten geschrieben, sind die Sätze ohne Punkt und Komma notiert. Erst der Zeilenumbruch - er entspricht der Sprechmelodie - ergibt die Phrasierung. Der Text wandert von einer Spalte in die andere, springt zurück, es entsteht ein sprachlicher, manchmal fast mehrstimmiger Fluß. Einzelne Erzählstränge werden mehrfach aufgenommen, Worte wieder aufgegriffen, Sätze wiederholt und dabei unmerklich variiert. Immer wieder sind lyrische Zellen in den Text eingeschoben, wie Miniatur-Arien. Sie unterbrechen und weiten aus, kleine Zeitinseln.

Schreiben als - inneres - Sprechen oder als verschwimmend assoziatives Denken im Kopf, das herumschweift, springt, sich auf einen einzigen fragmentarischen Satzfetzen setzt - weil da schon alles gesagt ist und man den Rest nicht ergänzen, nicht vervollständigen muß. Schreiben als sich Bewegen und Bewegung Initiieren, Durchwandern von äußeren und inneren Räumen, privaten und öffentlichen, eigenen und fremden. Schreiben als Sprechen - wo der Faktor Zeit, wo Verlauf, Wiederholung, Variation, Verflechtung die wichtige Rolle spielen.

Im 168. Montagsgespräch stellen Angela Dauber und Dieter Trüstedt Möglichkeiten einer musikalisch-akustischen Erkundung des Textes vor: MÜNCHEN BAGDAD als Text- und Sprach-Reise durch Orte der Nähe und Ferne, gefaltet mit einer Musik, die zeitlich ganz heute ist - Computer-Musik im künstlerischen Ansatz der Musique Concrète: Worte, Sätze, Satzfragmente, Wortfragmente, Laute und die besondere unverwechselbare Akustik verschiedener konkreter Münchner Orte und Räume bilden das Material, aus dem die Musik geformt wird. Die angewandte künstlerische Technik ist die Faltung, ein Verfahren aus der Physik.

Montag, 18. Oktober 2004 - 20:00 Uhr

Eintritt frei

Carl Orff Auditorium
München, Luisenstr. 37a
U-Bahn U2 Königsplatz

Musiklabor

Veranstalter:
Echtzeithalle e.V.
in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik und Theater München

Tel. 089 / 289 27 477 oder 089 / 2721856
www.echtzeithalle.de  

 
Letzte Änderung: 10.01.2007
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