31. Montagsgespräch der Echtzeithalle im Einstein
Physik und KunstGrenzflächen — Grenzgänge
Stephan Herminghaus
Schon die salopp-einfache Definition ‘Physik ist das, was Physiker tun’ verrät eine grundlegende Eigenschaft der Physik: es handelt sich nicht einfach um eine Klasse wahrer Aussagen über die Natur, sondern um ein Feld kreativen — und kommunikativen — Handelns. Keine Physik also ohne Kreativität und Kommunikation, beides elementare Wesensmerkmale künstlerischer Aktivität.
Gilt dies noch in gleichem Maße auch für alle andern Naturwissenschaften, ist doch die Physik ausgezeichnet durch den ihr besonders eigenen Impuls ‘zu erkennen, was die Welt im innersten zusammenhält’. Ganz tief in das Naturgeschehen hineinschauen und allgemeine Gesetzmäßigkeiten finden, die erhabene Einfachheit des Kosmos, in dem wir uns vorfinden, zu beschreiben; dies ist das Ziel der Physik.
An dieser Stelle offenbart sich eine mögliche weitere, physikspezifische Parallele zu künstlerischem Schaffen: bei großen Kunstwerken hat man ebenfalls den Eindruck, dass nicht in erster Linie der Künstler ‘sich ausdrückt’, sondern dass er ganz in die Tiefe geschaut und etwas gesehen hat, das er uns beschreibt; etwas, das er nicht als Schaffender ‘gemacht’, sondern das er vorgefunden hat und wiedergibt. So weit scheint die Parallele offensichtlich. Jedoch: während die Physik versucht, das Subjekt so weit wie möglich auszuklammern, faßt die Kunst gerade dieses in den Blick; eine unüberwindliche Differenz?
Wir wollen den obengenannten Parallelen anhand von Beispielen aus der Ausstellung ‘Grenzflächen: Physik und Kunst’, die im Rahmen der letzten Frühjahrstagung der DPG stattfand, nachgehen und versuchen, mögliche Wege von der Physik zur Kunst zu identifizieren.
Professor Dr. Stephan Herminghaus leitet die Abteilung Angewandte Physik an der Universität Ulm. Sein Arbeitsschwerpunkt ist die Grenzflächenphysik.
Montag, 25. September 2000
19:30 c.t. München Einsteinstr. 42 | Veranstalter: Gruppe Experimentelle Kunst und Echtzeithalle e.V. München |